Consulting heißt: Entscheidungsfindung unter Untersicherheit ermöglichen.
Consultants werden beauftragt, weil der Auftraggeber ein Problem hat, das er alleine nicht lösen kann, typischerweise weil Informationen fehlen. Aufgabe des Consultants ist dann, Informationen zu sammeln, um so die Unsicherheit zu reduzieren und eine Entscheidung zu ermöglichen.
Probleme von unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten
Die Komplexität der Consulting-Aufgabe liegt darin, dass in realistischen Szenarien immer mehrere Parteien involviert sind und jede Partei eigene Anforderungen, Bedingungen und Meinungen einbringt. Im ersten Schritt müssen alle relevanten Kriterien und Anforderungen zur Beurteilung des Sachverhalts transparent gemacht werden.
In einem Beispiel-Szenario könnte die ursprüngliche Anforderung darin liegen, ein bestimmtes Produkt-Feature hinzuzufügen. Neben dieser funktionalen Sicht eines Product Managers gibt es dann die Perspektive von Ingenieuren und Entwicklern, für die die Machbarkeit und Integration ins bestehende System im Vordergrund steht. Oftmals gibt es verwandte oder konkurrierende Features, deren Stakeholder ein Interesse daran haben, alle ähnlichen Funktionen zu konsolidieren, um Verantwortungen klar abzugrenzen und für eine gute User Experience zu sorgen. In der Regel gibt es weitere Rahmenbedingungen durch Datenschutz- und Sicherheitsbestimmungen, und nicht zuletzt sind Zeit und Kosten relevante Faktoren bei der Entscheidungsfindung.
Ausarbeiten von Lösungsstrategien für alle Parteien
Die Kunst des Consultants ist es, alle unterschiedlichen Perspektiven zusammenzuführen und daraus mögliche Lösungsstrategien zu entwickeln. Dabei startet man mit einigen Annahmen und groben Konzepten und arbeitet aus, welche Konsequenzen sich im Detail daraus ergeben. Die resultierende Liste an Konsequenzen für alle Beteiligten kann dann als Grundlage für eine fundierte Entscheidungsfindung dienen.
Sobald die Unsicherheit auf ein Minimum reduziert wurde, indem alle Informationen gesammelt und mögliche Lösungen ausgearbeitet worden sind, ist das Fällen der endgültigen Entscheidung eine vergleichsweise einfache Tätigkeit, die das Management oft gerne wieder selbst übernimmt.
Schnelle Entscheidungen trotz Unsicherheit
Es gibt aber auch Situationen, in denen der Consultant selbst eine Entscheidung treffen soll, und in denen keine Zeit ist, detaillierte Strategien zu entwickeln. Wenn beispielsweise im operativen Geschäft akute Probleme auftreten, muss bisweilen spontan eine Entscheidung getroffen werden, während ein großes Maß an Unsicherheit bestehen bleibt. In so einer Situation kann der Consultant bestenfalls grob die Konsequenzen der Handlungsoptionen abschätzen und möglichst weit vorausdenken, unter Berücksichtigung der verschiedenen Positionen aller beteiligten Gruppen.
Verständlicherweise widerstrebt es insbesondere Junior Consultants, Entscheidungen zu treffen, ohne dass sie einen vollständigen Überblick über alle möglichen Konsequenzen gewonnen haben. In vielen Situationen ist aber eine vorläufige Entscheidung hilfreicher als ein Verzögern und Vertrösten, während die beteiligten Parteien ohne Absprachen einer gemeinsamen Richtung quasi kopflos umherirren.
Wie arbeitet ein Consultant?
Das Sammeln von Informationen und Entwickeln von Lösungsvorschlägen kann über mehrere Wege erfolgen: neben der Recherche durch Suchen und Lesen von Dokumenten ist ein persönlicher Kontakt zu Ansprechpartnern und Experten oft hilfreich. Fehlende Informationen lassen sich häufig durch zusätzliche Maßnahmen nachträglich generieren oder über überarbeitete Auswertungen bereits vorliegender Daten herleiten.
Kommunikation und Informationsaustausch verbessern
Einen großen und nachhaltigen Einfluss hat ein Consultant über die Verbesserung von Kommunikationsstrukturen im Unternehmen. In erschreckend vielen Fällen liegen theoretisch alle relevanten Informationen bereits vor, jedoch schlecht auffindbar oder schwer verständlich. Eine Verbesserung der Zugänglichkeit für andere Personengruppen reduziert die Abhängigkeit von einzelnen Menschen und macht im besten Fall einen Teil der Consulting-Aufgaben überflüssig.
Meetings effizienter gestalten
Consultants verbringen einen Großteil ihrer Zeit in Meetings. Grund hierfür ist meist, dass mehrere Teams an dem Projekt beteiligt sind und für Absprachen und Informationsaustausch der direkte Kontakt als sinnvollste Methode betrachtet wird. Umso wichtiger ist, dass Meetings auch effizient durchgeführt werden, um nicht bloß in großem Maßstab Zeit zu verschwenden.
Consultants können Meetings effizienter gestalten, indem sie dafür sorgen, dass es zu jedem Meeting eine Agenda und Meeting Notes gibt und alle Teilnehmenden das gleiche Ziel mit dem Treffen verfolgen. Außerdem sollte es eine ModeratorIn geben (nicht zwei Moderatoren, aber auch nicht gar keine), die das Gespräch immer wieder auf eine lösungsorientierte Diskussion zurückführt und an die zentralen Fragestellungen erinnert.
Sprache anpassen, um Barrieren abzubauen
Die vielleicht wichtigste Fähigkeit eines Consultants ist das Finden einer gemeinsamen Sprache. Ein Teil der Kontaktpersonen hat einen technischen Background, ein anderer Teil eher betriebswirtschaftliche Ausbildung. Je nach Kontext hat ein Wort verschiedene Bedeutungen, oder es werden verschiedene Wörter benutzt, um den gleichen Sachverhalt zu beschreiben. Das Vokabular unterscheidet sich nicht nur je nach Berufszweig, sondern auch zwischen verschiedenen Teams. Ein Team, das mit deinem Projekt nicht vertraut ist, wird viele Begriffe nicht auf Anhieb richtig verstehen können.
Ziel des Consultants muss sein, die Sprache an die jeweilige Zielgruppe anzupassen und dadurch Missverständnisse zu reduzieren. Oftmals hilft eine einfache Sprache mit weniger komplexen Wörtern enorm dabei, ein grundsätzliches Verständnis zu erlangen. Sind einzelne Wörter oder Abkürzungen in Diskussionen mit mehreren TeilnehmerInnen mit mehreren Bedeutungen besetzt, ist auch das Ausweichen auf eindeutigere Begriffe oder die explizite Ausformulierung bei jeder Benutzung sinnvolle Vorgehensweisen.
Diplomatisch handeln und Empathie zeigen
Selbst wenn am Ende der Beratung mehrere Lösungsstrategien mit Konsequenzen für beteiligte Teams vorliegen und als Grundlage für die Entscheidungsfindung dienen sollen, ist die Entscheidung selbst oftmals politischer Natur: es stehen dann nicht so sehr die objektiven Argumente im Vordergrund, sondern vielmehr Machtspiele, Rivalenkämpfe und persönliche Vorlieben der entscheidenden Mitarbeiter. Diese Art der politischen Entscheidung ist in vielen Unternehmen total üblich, und Consultants müssen sich bewusst sein, dass ihre eigene Vorarbeit in diesen Fällen nur einen kleinen Teil zum Gesamtergebnis beitragen wird.
Gleichzeitig müssen Berater empathisch gegenüber allen MitarbeiterInnen sein: aufgrund der unterschiedlichen Perspektiven darf ein Consultant sich nicht anmaßen, eine Sichtweise zu übergehen oder eine Sorge kleinzureden. Wenn beispielsweise bei der Benutzung einer Software ein Fehler auftritt, wäre es schlechter Stil, den Fehler auf das Unvermögen des Benutzers zu schieben. Besser wäre zuerst die Anerkennung „da gibt es anscheinend Probleme bei der Benutzung“ und lösungsorientierte Ursachenforschung: vielleicht war die Dokumentation veraltet oder nicht auffindbar, oder es hätten Beispiele in die Software mit aufgenommen werden können, oder ein Onboarding-Prozess hätte einem Teil der Probleme vorbeugen können.